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AutorenbildJean Bauer

Praxisleitfaden - Lieferkettengesetz für KMUs

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) gilt seit 2023 und verpflichtet Unternehmen ab einer bestimmten Größe (derzeit mit mindestens 3.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Inland, ab 2024 mit mindestens 1.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Inland), menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten zu beachten. Diese Anforderungen können insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) herausfordernd sein, da sie nicht unmittelbar den gesetzlichen Sorgfaltspflichten des LkSG unterliegen. Allerdings sind KMU oft Zulieferer von Unternehmen, die unter das Gesetz fallen und benötigen daher Unterstützung, um die Anforderungen ihrer größeren Partner in der Lieferkette zu erfüllen.

Ziel dieses Praxisleitfadens ist es, KMU bei der Bewältigung dieser spezifischen Herausforderungen zu unterstützen, indem er speziell auf die Bedürfnisse des Mittelstands eingeht und dabei hilft, die richtige Software zur Umsetzung der Sorgfaltspflichten zu finden.




Wann komme ich als KMU mit dem LkSG in Berührung?

KMU sind noch nicht vom LkSG erfasst. Ein KMU kann aber trotzdem mit den Anforderungen des Gesetzes in Berührung kommen, wenn es einem anderen Unternehmen Dienste leistet oder Produkte zuliefert, das seinerseits den LkSG-Pflichten unterliegt. Denn das KMU gilt dann nach dem LkSG als „unmittelbarer Zulieferer“ des verpflichteten Unternehmens. Das verpflichtete Unternehmen muss unmittelbare Zulieferer, bei denen es ein Risiko vermutet, in seine konkrete Risikoanalyse und ggf. in Präventions- und Abhilfemaßnahmen sowie in die Einrichtung seines Beschwerdeverfahrens einbeziehen.


Das heißt für das KMU konkret:

  • Für ihre Risikoanalyse erbitten verpflichtete Unternehmen von Zulieferern ggf. Informationen (z. B. Informationen über festgestellte Risiken oder Verletzungen; ob der Zulieferer eine eigene Risikoanalyse durchführt und ggf. nach welcher Methode; über für das Produkt oder die Dienstleistung verwendete Rohstoffe, Halberzeugnisse und Dienstleistungen; Informationen über Betriebsstätten von Vorlieferanten).

  • Je nach dem Ergebnis ihrer Risikoanalyse müssen verpflichtete Unternehmen ggf. Präventionsmaß[1]nahmen bei ihren Zulieferern durchführen (z. B. Schulungen zu einem vereinbarten Lieferantenkodex, Code of Conduct, oder die Verankerung vertraglicher Kontrollmechanismen).

  • Stellen verpflichtete Unternehmen Verletzungen der LkSG-Vorgaben fest (z. B. Kinderarbeit in der Lieferkette), müssen sie sich um Abhilfe bemühen. In diesem Fall können sie einen Zulieferer ggf.  auffordern, sich daran zu beteiligen.

  • Bei der Einrichtung von Beschwerdeverfahren können verpflichtete Unternehmen Zulieferer fragen, welche Personen als Nutzer dieses Verfahrens in Frage kommen (z. B. Beschäftigte, Anwohner) und darum bitten, dass Zulieferer das Verfahren diesen Gruppen zugänglich machen. Solche Anforderungen des verpflichteten Unternehmens an KMU sind im LkSG auch so angelegt.

 

Was muss ich als KMU nicht leisten?

KMU müssen die Pflichten nach dem LkSG nicht selbst erfüllen. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) - als für die Umsetzung und Kontrolle des LkSG zuständige Behörde - kann und wird KMU auch nicht daraufhin kontrollieren oder mit Sanktionen, wie Bußgeldern, belegen.


Das LkSG verpflichtet KMU nicht:

  • bezogen auf ihre Lieferkette eine eigene Risikoanalyse durchzuführen;

  • selbst zu prüfen, welche Präventions- und Abhilfemaßnahmen sie bezogen auf ihre Lieferkette durchführen sollten;

  • ein eigenes Beschwerdeverfahren einzurichten;

  • Berichte an das BAFA zu übermitteln oder daran mitzuwirken.


Wie sollte ich als KMU reagieren, wenn ein verpflichtetes Unternehmen mich zur Zusammenarbeit im Kontext des LkSG auffordert?


Das LkSG richtet sich nicht unmittelbar an KMU, setzt aber voraus, dass verpflichtete Unternehmen mit KMU als ihren Zulieferern zur Erfüllung der LkSG-Pflichten zusammenarbeiten. In der Praxis führt daran in der Regel auch kein Weg vorbei, weil das verpflichtete Unternehmen nur so das Gesetz erfüllen kann und daher seine Anliegen zur Zusammenarbeit in Vertragsverhandlungen einbringen wird. Das LkSG erlaubt es den verpflichteten Unternehmen, ihre Zulieferer einschließlich KMU zur Zusammenarbeit im Kontext des LkSG aufzufordern, wie etwa in den o. g. Beispielsfällen beschrieben.

 

Dabei sollten KMU Folgendes beachten:

  • Wenn ein verpflichtetes Unternehmen von einem KMU unter Verweis auf LkSG-Pflichten Daten zur Herkunft von Produkten oder potenziellen Risiken in der Herstellung erbittet, sollten Zulieferer zunächst auf die Begründung achten: Es sollte daraus hervorgehen, dass das verpflichtete Unternehmen eine Risikoanalyse i. S. d. LkSG durchführt, welche Risiken dabei bisher festgestellt wurden und welche Fragen bezogen auf Risiken auf den konkreten Zulieferer daraus entstehen. Fehlt eine solche Begründung, sollte ein Zulieferer sie beim verpflichteten Unternehmen einfordern und die Informationen erst bei vorliegender Begründung bereitstellen.

  • Bei der Übermittlung von Daten an das verpflichtete Unternehmen sollte der Zulieferer prüfen, welche Informationen er schützen muss, z. B. weil es sich um Geschäftsgeheimnisse handelt. Diese sollte er unkenntlich machen oder in geeigneter Form zusammenfassen. Alternativ könnte er auch mit dem verpflichteten Unternehmen Verschwiegenheitsklauseln vereinbaren.

  • KMU sollten das verpflichtete Unternehmen auch darum bitten, dessen Ressourcen, Informationen und Tools zur Risikoermittlung mit nutzen zu dürfen.

  • Bei der Aufforderung zur Beteiligung an Präventions- und Abhilfemaßnahmen oder der Ausgestaltung eines Beschwerdeverfahrens sollten KMU sich aufzeigen lassen, welche Risiken in ihrem Geschäftsbereich oder ihrer Lieferkette konkret festgestellt wurden, in welcher Weise die geforderte Beteiligung erfüllt werden kann und ob und wie das verpflichtete Unternehmen dies mit eigenen Mitteln unterstützt.

 

In meinem KMU spielen menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken kaum eine Rolle. Wie soll ich mich verhalten?


Verpflichtete Unternehmen müssen bei der Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten risikobasiert vorgehen. Das bedeutet auch, zwischen risikoarmen und stark risikogeneigten Zulieferern zu unterscheiden. Wenn ein KMU als Zulieferer eines verpflichteten Unternehmens gebeten wird, einen umfangreichen Fragebogen zum LkSG auszufüllen oder entsprechende Erklärungen abzugeben, obwohl die abgefragten menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken in seiner Tätigkeit kaum eine Rolle spielen, dann sollte das KMU auf diesen Umstand hinweisen und darum bitten, dass das verpflichtete Unternehmen seine Fragen bezogen auf den Einzelfall näher begründet.


Wie sollte ich als KMU reagieren, wenn ein Unter-nehmen seine LkSG-Pflichten auf mich abwälzen will?

Das LkSG erlaubt verpflichteten Unternehmen nicht, ihre Pflichten auf KMU als Zulieferer abzuwälzen. Wer so vorgeht, muss mit Kontrollmaßnahmen des BAFA rechnen.


Das wäre z. B. der Fall, wenn das verpflichtete Unternehmen:

  • seine Risikoanalyse durch Zusicherungen der Zulieferer ersetzen will;

  • dem KMU Präventions- oder Abhilfemaßnahmen aufgibt, die das KMU offenkundig überfordern (z. B. finanziell oder personell);

  • sich vom Zulieferer pauschal die Freiheit von menschenrechtlichen Risiken in dessen Lieferketten zusichern lässt.

 

KMU sollten daher Folgendes beachten:

  • KMU sollten einem verpflichteten Unternehmen nicht pauschal vertraglich zusichern, dass sie alle Pflichten aus dem LkSG erfüllen oder die Einhaltung aller LkSG-Standards in ihren Lieferketten gewährleisten (z. B. Zusicherung, „in der Lieferkette alle Menschenrechte einzuhalten“). Verlangt ein verpflichtetes Unternehmen dies, so könnte es damit gegen das LkSG verstoßen und der Sachverhalt bei entsprechendem Hinweis an das BAFA eine Kontrolle durch dieses nach sich ziehen. 

  • Verlangt ein verpflichtetes Unternehmen von einem KMU die Beteiligung an oder Durchführung von Präventionsmaßnahmen (z. B. Schulungen und Weiterbildungen zu menschenrechts- und umweltbezogenen Risiken in der Lieferkette), dann sollte das KMU das verpflichtete Unternehmen zunächst um Folgendes bitten:

  • Übermittlung der Grundsatzerklärung, aus der die festgestellten menschenrechts- und umweltbezogenen Risiken und Erwartungen an Zulieferer hervorgehen;

  • eine konkrete Darlegung, wie die Maßnahmen die festgestellten Risiken beim Zulieferer vermindern sollen.

 

Verlangt ein verpflichtetes Unternehmen von einem KMU die Beteiligung an oder Durchführung von Abhilfemaßnahmen (z. B. Nachzahlung von vorenthaltenem Lohn), so sollte das KMU das verpflichtete Unternehmen zunächst um mindestens folgende Informationen bitten:

  • Benennung der Verletzungen in der Lieferkette, die das verpflichtete Unternehmen festgestellt hat;

  • das Konzept zu deren Beendigung;

  • einen Vorschlag des verpflichteten Unternehmens zu der Frage, wie die Kosten für die Maßnahme(n) angemessen aufgeteilt werden sollten.

Sieht sich ein KMU von einem solchen Vorschlag überfordert, empfiehlt es sich:

  • dem verpflichteten Unternehmen zu beschreiben, warum es die Maßnahme mit seinen Ressourcen nicht durchführen kann und um Unterstützung zu bitten;

  • Wenn das verpflichtete Unternehmen dieser Bitte nicht folgt, individuelle Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen, um festzustellen, ob die Bitte des verpflichteten Unternehmens ggf.  vertragsrechtlich unzulässig ist (AGB-Recht usw.).


Das hier Angeführte gilt ebenso für den Fall, dass ein KMU von einem verpflichteten Unternehmen, zu dem es gar keine direkte Lieferbeziehung unterhält (d. h. als „mittelbarer Zulieferer“ i. S. d. LkSG), zu Maßnahmen aufgefordert wird.


Wo erhalte ich als KMU weitere praktische Hilfestellung bei der Umsetzung von Sorgfaltsprozessen?

In vielen Fällen wird die Zusammenarbeit mit LkSG-verpflichteten Unternehmen auch für das Management der eigenen Prozesse von KMU hilfreich sein, weil sie:

  • damit Risiken frühzeitig erkennen und proaktiv angehen können;

  • einen Wettbewerbsvorteil erzielen können, insbesondere bei der Geschäftsentwicklung mit vom LkSG verpflichteten Kunden;

  • sich die Verhandlungen mit ihren Kunden erleichtern können, wenn sie selbst die Anforderungen an ein robustes sorgfaltspflichtenbezogenes Risikomanagementsystem verstehen.


Unabhängig vom LkSG gibt es Sorgfaltserwartungen (z. B. aus dem Nationalen Aktionsplan Wirtschaft & Menschenrechte (NAP) der Bundesregierung, den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen, sowie den UN-Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte), die sich auch an KMU richten. Derzeit sind die Sorgfaltspflichten der in der EU verabschiedeten Entwüfen der CS3D im Fokus. Dazu gibt es erste Tendenzen zur Umsetzung; jedoch noch ohne konkreten Zeitplan:



Quelle: Cassini Consulting


Welche Kriterien sind bei der Auswahl einer LkSG- Software relevant?

Um aus der Vielzahl der Anbieter die richtige Supply-Chain-Software für Ihr Unternehmen auszuwählen, sollten Sie im Vorfeld einige Punkte und Vorgaben klären, wie z.B:

  • Welche branchenspezifischen Anforderungen gibt es für mein Unternehmen und kann der Softwareanbieter diese mit seiner Lösung umsetzen?

    • Komplexität der Lieferkette,

    • Ressourcenmangel

    • Schwierigkeiten in der Informationsbeschaffung

    • Unterschiedliche Anforderungen und

    • Dokumentation

  • Welche Software-Funktionen benötige ich, um die speziellen Anforderungen meines Unternehmens zu erfüllen?

  • Brauche ich spezielle Präventionsmaßnahmen, bei denen mir die Software helfen kann?

  • Ist die Software weitgehend automatisiert, so dass die Investition durch die Einsparung von Zeitressourcen kompensiert wird?

  • Entspricht die Software den aktuellen rechtlichen Standards?

  • Wie gut können bestehende Systeme über Schnittstellen integriert werden?


Die wichtigsten Kriterien für ein Tool ist am Ende, die Abbildbarkeit der individuellen Supply chain und Verknüpfung mit der bestehenden Ressourcenplanungs- und Lieferantensoftware.


Was sind typische Merkmale einer Software für das LkSG?

Um finanzielle und zeitliche Ressourcen zu sparen und genau zu dokumentieren, dass Strafen für Sie nie ein Thema sind, ist LkSG-Software eine nützliche Lösung. Aber wie genau helfen Ihnen die Tools bei der Rechtsdurchsetzung?


  • Risikoanalyse: bestehende Risiken zu identifizieren und Lösungsvorschläge, um regulatorische Vorgaben in den relevanten Bereichen zu integrieren.

  • Lieferanten- und Risikomanagement: Einhaltung von Umwelt- und Menschen-rechtsstandards (am besten auch finanzielle Risiken)

  • Überwachung der Lieferkette: Monitoring des Produkt- und Rohstoffflusses für Audits und Bewertungen

  • Vorbeugende und korrigierende Maßnahmen: Automatische Überprüfung von Partnern durch Fragebögen und Zertifikaten

  • Einrichten eines Beschwerdemanagementsystems: Annahme, Sortierung und Weiterleitung von Beschwerden. ggf. inkl. automatisierten Antworten.

  • Dokumentation: Erstellung von Unternehmensrisikoberichten und Dashboards .


Quelle: BAFA - Die wichtigsten Fragen und Antworten für KMU; Cassini Consulting; Matchilla

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